Kollagen stellt den Hauptbestandteil der extrazellulären Matrix von Wirbeltieren dar und kann als solches als hervorragende Basis für die Entwicklung von künstlichen Gewebesubstituten dienen. Zentral für derartige Anwendungen sind - neben kompatibler Struktur und Biochemie - mechanische Eigenschaften, die konform mit dem nativen Gewebe sind.
Im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit des IOM Fachbereiches Biokompatible- und Bioaktive Oberflächen und dem Felix-Bloch-Institut für Festkörperphysik der Universität Leipzig konnten Wissenschaftler*innen nun nachweisen, dass sich Elektronen vorzüglich eignen, mechanische Eigenschaften variabel einzustellen, indem sie die Ausbildung von Quervernetzungen im Kollagen-Netzwerk induzieren. Dabei sind einzelne Aminosäuren – insbesondere L-Lysin - eher geneigt sich unter Elektronenbestrahlung zu verbinden als andere. Die Prozesse laufen dabei ähnlich ab wie im menschlichen Körper, d.h. biomimetisch. Der erste Schritt zur Lysin-Vernetzung im Körper ist die Oxidation an einem Lysin Molekül, also eine chemische Änderung, welche die Anbindung an ein weiteres Lysin ermöglicht. Mittels Elektronenbestrahlung simulieren wir sozusagen diese oxidative Umgebung, so dass Lysin darauf reagiert, erklärt M.Sc. Nils Wilharm Projektbetreuer am IOM und Stipendiat des Europäischen Sozialfonds. Mit energetischen Elektronen behandeltes Kollagen kann demnach quasi als neuartige Grundlage für künstliches Gewebe genutzt werden, da wir hier die Natur nachahmen, ergänzt Prof. Dr. Stefan Mayr, Leiter des Fachbereiches Biokompatible- und Bioaktive Oberflächen am IOM.
Damit eröffnen sich völlig neue Wege für die medizinische Forschung, da Aminosäuren der Bestandteil allen Gewebes sind. Kann man nun jede gewünschte Gewebeart einfach so herstellen oder gar reparieren? Im Prinzip schon und es werden bereits weitere Materialien hinsichtlich ihrer Reaktion auf die Elektronenbestrahlung untersucht. Dabei zeigt sich bereits, dass das Verfahren für eine breite Vielfalt von Materialien geeignet ist.
Die Ergebnisse zum Mechanismus der Elektronenbestrahlung wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift Acta Biomaterialia veröffentlicht. Ausführliche Informationen dazu im Artikel:
Biomimetic crosslinking of collagen gels by energetic electrons: The role of L-lysine
N. Wilharm, M. Bertmer, W. Knolle, J. Griebel, C. Elsner, S. G. Mayr