Entmischung von Nanoröhren-Scaffolds unter Ionenbeschuss

Nanoröhren-Scaffolds: Abb. 1: Rasterelektronenmikroskopie-Aufnahme

Nanoröhren-Scaffolds: Abb. 2: energiedispersive Röntgenanalyse einer Rastertransmissions-elektronenmikroskopie-Aufnahme mit Sauerstoffdomänen (magenta) und Kohlenstoffdomänen (grün)

Nanoröhren-Scaffolds aus Titandioxid werden in unterschiedlichsten Bereichen genutzt: zur Reinigung von Wasser, für effiziente Photovoltaikzellen oder zur Kultivierung von Geweben. Nun ist es Wissenschaftlern*innen vom Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) gelungen, diese Nanoröhren-Scaffolds deutlich weiterzuentwickeln. Unter Ionenbeschuss trennen sich kohlenstoffhaltige und sauerstoffhaltige Domänen auf atomarer Skale voneinander. Dies steigert die Leitfähigkeit enorm und ermöglicht die Entwicklung von neuartigen Biosensoren.

Nanoröhren-Scaffolds bestehen aus Millionen von Einzelröhren, die einen etwa tausendfach kleineren Durchmesser als ein menschliches Haar besitzen. Sie sind in hexagonaler Struktur nebeneinander angeordnet und erzeugen somit eine riesige Oberfläche (s. Abb. 1). Daher werden sie oft als Filtermembran zur Reinigung von Wasser oder als Photokatalysator in chemischen Reaktionen eingesetzt. Sie lassen sich vielfältig verändern und so gezielt für spezifische Anwendungsgebiete anpassen.

Der Arbeitsgruppe Biofunktionale Oberflächen und Nanoobjekte unter Leitung von Prof. Mayr ist es nun gelungen, die atomare Zusammensetzung der Nanoröhren-Scaffolds mit Ionenbeschuss zu verändern. Wenn Kohlenstoff-Ionen mit hoher Energie in die Nanoröhren implantiert werden, entmischt sich das Material und es trennen sich einzelne, teils verbundene Domänen aus Kohlenstoff und aus Sauerstoff voneinander. Diese Domänen sind durchschnittlich 10 Nanometer groß und durchziehen gleichmäßig die Nanoröhren (s. Abb. 2). Mithilfe von Simulationen konnte bestätigt werden, dass ein solches Phänomen nur in diesen speziellen Nanostrukturen auftreten kann. „Eine von Ionenstrahlen hervorgerufene Entmischung kann weder in Dünnschichten noch in massivem Proben auftreten. Unsere Berechnungen zeigen, dass dies aufgrund der Enthalpie innerhalb der Schicht nicht möglich ist“ erklärt Prof. Mayr. Durch die Trennung der kohlenstoff- und sauerstoffhaltigen Domänen zeigen die Nanoröhren einen neuen atomaren Aufbau und somit erstaunliche, bisher unentdeckte physikalische Eigenschaften. „Schon eine geringe Ionenmenge führt zu einer deutlichen Steigerung der Leitfähigkeit. Gleichzeitig bleiben die amorphe Struktur sowie die Morphologie der Nanoröhren gut erhalten“ meint die Wissenschaftlerin Astrid Kupferer, die als Stipendiatin der Heinrich Böll Stiftung dieses Projekt am IOM bearbeitet. Durch lokale Implantation eröffnen sich vielfältige Anwendungen, beispielsweise kann man nun Biosensoren entwickeln, mit denen die Anbindung von einigen wenigen Molekülen gemessen werden kann.

Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt im renommierten Fachjournal Advanced Functional Materials veröffentlicht:

Compositional Patterning in Carbon Implanted Titania Nanotubes
Astrid Kupferer, Alexander Holm, Andriy Lotnyk, Stephan Mändl, Stefan G. Mayr
Adv. Funct. Mater. 2021, 2104250
https://doi.org/10.1002/adfm.202104250