Intelligente Sortierung von Alttextilien für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft - IOM beteiligt sich mit innovativen Lösungen an EU-Projekt

Abb.: Die Forschenden Dr. Tom Scherzer und Dr. Olesya Daikos sind an der NIR-Hyperspektralkamera des IOM tätig. © IOM / Foto: Erik Kazak

In der Europäischen Union fallen jährlich 12,6 Mio. Tonnen textile Abfälle an, von denen derzeit lediglich 22 % wiederverwendet oder recycelt werden. Um diesem Defizit entgegenzuwirken, schreibt die Änderungsrichtlinie 2018/851 zur Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG seit dem 1. Januar 2025 verpflichtend die getrennte Sammlung von Alttextilien sowie deren stoffliche Wiederverwertung vor. Die bislang häufig praktizierte Verbrennung oder Deponierung von Alttextilien ist damit in der Regel nicht mehr zulässig.

Eine zentrale Voraussetzung für das Erreichen der angestrebten textilen Kreislaufwirtschaft ist eine möglichst sortenreine Sortierung der Alttextilien. Für viele in der Textilwirtschaft verbreitete Materialien wie Baumwolle, Polyester oder Polyamid ist dies bereits heute möglich. Die Klassifizierung erfolgt dabei – vergleichbar mit der Sortierung von Verpackungsabfällen (Gelbe Tonne bzw. Gelber Sack) – mittels Nahinfrarot-(NIR)-Reflexionsspektroskopie oder darauf basierendem NIR-Hyperspectral-Imaging.

Diese etablierten Verfahren stoßen jedoch bei bestimmten Materialgruppen an ihre Grenzen. So lassen sich insbesondere schwarze Textilien, vor allem solche, die mit Ruß gefärbt wurden, bislang nicht zuverlässig sortieren, da sie im NIR-Bereich kaum oder gar nicht reflektieren und somit keine verwertbaren Spektren für eine Klassifizierung liefern. Ein weiteres erhebliches Problem stellen elastische Textilien dar, die Elasthan enthalten. Elasthan stört zahlreiche Recyclingprozesse. So ist es beispielsweise nach seiner Herstellung nicht mehr erneut färbbar. Deshalb müssen entsprechende Textilien separat erfasst werden. Aufgrund der speziellen Verarbeitungstechnologie von Elasthan und der meist sehr geringen Gehalte – in Jeans typischerweise 1 bis 3 % – kann Elasthan in den derzeit üblichen automatisierten Sortierprozessen für Alttextilien nicht sicher nachgewiesen und folglich auch nicht zuverlässig aussortiert werden. Vergleichbare Einschränkungen gelten auch für beschichtete Textilien.

Vor diesem Hintergrund wurde das Horizon-Europe-Projekt (01181988) „Intelligent Textile SORTing for enable CIRCuLarity“ (SORT4CIRC) ins Leben gerufen, das am 1. Dezember 2025 gestartet ist und mit einem Budget von 5 Mio. € gefördert wird. An dem Projekt sind Forschende der Querschnittseinheit „Materialcharakterisierung und Analytik” des IOM gemeinsam mit insgesamt 14 Partnern aus acht europäischen Ländern beteiligt. Ziel des Projekts ist es, leistungsfähigere analytische Ansätze und Technologien zu entwickeln, die eine Identifizierung und Sortierung auch jener Materialien ermöglichen, die mit den heute eingesetzten Verfahren nicht oder nur unzureichend erfasst werden können.

Hierzu sollen neben innovativen analytischen Techniken, die bislang nicht in der Sortierung von Kunststoff- und Textilabfällen eingesetzt wurden, auch Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen. Es wird erwartet, dass diese das Potenzial haben, selbst Komponenten mit sehr geringen Anteilen – wie beispielsweise Elasthan – zuverlässig nachweisen zu können.

Am Ende des auf drei Jahre angelegten Projekts ist der Aufbau einer Demonstratoranlage vorgesehen, die mit verschiedenen analytischen Techniken ausgestattet ist. Diese soll in der Lage sein, Textilien aus einem breiten Spektrum möglicher Materialzusammensetzungen unabhängig von ihrer Farbe oder enthaltenen störenden Komponenten vollautomatisch zu sortieren. Auf diese Weise sollen sortenrein anfallende Materialien effizient recycelt und im günstigsten Fall erneut für die Herstellung neuer Textilien zur Verfügung gestellt werden können.

Ansprechpartner am IOM:
Dr. Tom Scherzer
Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Materialcharakterisierung und Analytik
Tel.: (+49) 341-235-3184
E-Mail: tom.scherzer@iom-leipzig.de